Mythos #3 The practice of the living dead

Im hiesigen Kontext werden Tradition und Traditionalismus werden häufig analog verwendet. Doch bei der Feldforschung in England bin ich einer wichtigen Unterscheidung begegnet. Die Expertin und Experten der fresh expressions of Church unterscheiden zwischen Tradition und Traditionalismus.

Traditionalismus ist statisch und leblos und ganz bestimmten Formen und Konventionen sind zentral. Er dient dazu Innovation zu unterbinden und zu ersticken (alle die mal im Pfarramt waren wissen wovon ich spreche und die engagierten Freiwilligen sicher auch!). Traditionalismus ist wie eine sichere Mauer, die den Strom der Veränderung aufhalten und zähmen soll. Dabei gibt es nur ein „kleines Problem“: Wenn Kirche im Traditionalismus verharrt wird sie irgendwann einfach „hinweg-gespült“. Weder für ekklesiale Gemeinschaft noch für das Individuum ist Traditionalismus förderlich.

Im Gegensatz dazu ist Tradition ein positiver und lebendiger Begriff: „Well I think, if I remember it right one person said: ‚the nature of tradition it is the believe and the practice of the living dead‘. That is to say it is what Christians from the past, who now are alive in God transmit to us. Traditionalism is just the habits of the dead living which looks like something which is very fixed, it is very brittle, it is unable to evolve, and actually though it may look hard, is actually quite fragile. But the living story
of the church over 2000 years shows the ability to change, to expand, to move, to create new things. So part of the tradition is actually the ability to innovate. Which traditionalism finds very hard to do.“ (S. Müller, Fresh Expressions of Church, Zürich 2016, S. 182)

Nicht alle interviewten Personen definieren Tradition auf die gleiche Art und Weise, alle knüpfen jedoch an der Geschichte der Kirche an. Diese Geschichte wird als kirchlicher Erfahrungsschatz der letzten 2000 Jahre, als „yesterdays blessing, the sense of where we have come from, charismatic memory of church oder als inheritance of the church beschrieben: „One eastern orthodox theologian called tradition the ‘charismatic memory of church’. The memory of church made alive by the Holy Spirit. And tradition in the theological sense, I think, is that handing-on of ways of responding to the Holy Spirits prompting, crystalized in liturgy, in doctrine, in habits[…] crystalized but not frozen. So always moving on, adjusting, enlarging.“ (Ebd.)

Die Differenzierung von Tradition und Traditionalismus hilft uns die herkömmliche Praxis zu hinterfragen und nicht hilfreiche Praktiken (wie z.B. das Festhalten an EINER bestimmten Kirchenmusik) aufzugeben. Tradition dient aber gleichzeitig auch als Spiegel, anhand dessen neue kontextuelle und missionale Fragen reflektiert werden müssen.

Wenn wir beginnen zwischen Traditionalismus und Tradition zu differenzieren, müsste dies eigentlich eine grosse Auswirkung auf unserer (landes- und frei) kirchliche Praxis haben. Diese Unterscheidung ist nämlich ein gutes Hilfsmittel, um evaluieren zu können, was ekklesial wesentlich ist und was wir fröhlich über Bord werfen könne.

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