Nach den sonntäglichen Besuchen in HTB gehört es fast zur Selbstverständlichkeit die „dazugehörige“ Ausbildungsstätte St. Mellitus zu besuchen. Bischof Graham Tomlin und sein Mitarbeiter Russell Winfried haben sich extra Zeit für uns genommen hatte.
St. Mellitus ist das jüngste und gleichzeitig grösste College für die Pfarrausbildung in der Church of England. Die Ausbildungsstätte ist erst 5 Jahre alt, hat ca. 260 Studierende, welche sich ordinieren lassen wollen und ungefähr 250, welche in den Laiendienst der Church of England eintreten möchten. In St. Mellitus ist die Vermittlung von theologischem Wissen nur ein Teil des Studiums. Gemäss der Aussage von Bischof Graham Tomlin hat die Ausbildung aber ein grösseres Ziel: Transformation. Auf dem Lehrplan stehen deshalb nebst dem traditionellen, theologischen Fächerkomplex auch Charakter-Training, leadership-training und learning-by-doing. So werden Seminare und Vorlesungen im Horizont der praktischen, pfarramtlichen Tätigkeiten in den transformation-groups reflektiert. Zusätzlich möchte St. Mellitus ein Ort sein, an dem verschiedenen theologischen Richtungen der Church of England zusammen studieren und gegenseitig von einander lernen können. So ist Graham Tomlin der Überzeugung, dass gemeinsames studieren, essen, feiern, beten und arbeiten Verständnis für einander schafft. Deshalb lassen sich die Grundwerte von St. Mellitus (theology, worship, unity und mission) mit den Schlagworten „generous orthodoxy“ zusammenfassen. In Gesprächen mit Studierenden wurde diese generous orthodoxy erlebbar, auch wenn die Mehrheit der in St.Mellitus Studierenden eher charismatic-evangelical geprägt sind. Die Verschränkung von Theorie, Praxis und gelebter Spiritualität überzeugt. An ein paar Punkten würde ich aber gerne bei meinem nächsten Besuch noch etwas kritischer zurückfragen:
- Wie „generous“ ist diese Orthodoxie, wenn die Praxis vom theologischen Mainstream abweicht oder sich theologisch-kontroversen präsentiert?
- Inwiefern knüpft die Rede und Fokussierung auf Church Growth an amerikanische rein nummerische Konzeptionen von ekklesialem Wachstum an, wie sie beispielsweise bei McGavran zu finden waren und heute im Kontext von Mega Churches manchmal noch zu finden sind?
- Kann und soll ekklesiales Wachstum auf eine rein nummerische Ebene reduziert werden? Und daran anschliessen: ist es nicht eine Engführung, wenn Kirchenentwicklung vorwiegend im Horizont von Organisationsentwicklung bedacht wird?
- Wie kontextuell und inkarnatorisch sind die umgesetzten und angestrebten Church Plants? Wer verändert da wen bzw. wer wird verändert? Und bringen die Church Planters die „Wahrheit“ deduktiv in den Kontext hinein, oder entdecken sie induktiv mit den Menschen zusammen Gottes Wirken im Leben und im Kontext?
Jemand mit Erfarhung aus erster Hand hat die Szene, zu der St. Mellitus gehört, in einem Gespräch kürzlich mal als „empire building“ bezeichnet. Ich denke, genau diese Fragen kann und muss man stellen.
Jep!
Liebe Sabrina,
wie würdest du denn den theologischen Begriff „discipleship“ füllen, wie er in diesem Bereich der CoE verwendet wird? Das fand ich in deiner Dissertation im Bereich der Fresh Ex leider auch etwas unkonkret. Was ist discipleship? Und was verrät es, wenn jemand das Wort gebraucht? Verrät es, dass er der HTB Schublade entspringt? Verrät es, dass er an einem Nachfolge-orientieren Christentum interessiert ist im Unterschied zu einem Traditions- oder Kasualchristentum?
Grüße!
Lieber Alex,
Du sprichst da ein extrem zentrales und wichtiges Thema an! Und ein schwieriges 😉
Ich habe mich in diesem Herbst etwas dem Thema gewidmet und einen Beitrag zu discipleship für die PrTh geschrieben. Er wird in der ersten Ausgabe von 2018 erscheinen. Wenn ich aber dazu komme werde ich gerne einmal einen gekürzten Beitrag mit meinen Gedanken dazu hochladen. Da würde ich mich natürlich über Rückmeldungen, Gedanken und Diskussionen freuen. Herzliche Grüsse,
Dann bin jetzt aber auf die PrTh 2018/1 sehr gespannt.
Danke fürs Anteil geben!
Ich hätte da einige Rückfragen zu deinen Rückfragen, die wir vielleicht mal bei einem nächsten Schoggichueche diskutieren können:
– „rein“ nummerisch? Das sehe ich nicht mal bei Gavran und habe es so reduziert auch nirgends in meinen „Studien“ der Megachurches in den USA entdeckt. Scheint mir eine Engführung einer „Engführung“ zu sein.
– vorwiegend Organisationsentwicklung? Interessanter Punkt. Das „vorwiegend“ stelle ich auch hier in Frage vor allem in Anbetracht der landläufigen „kaum“ Organisationsentwicklung in Landes- und Freikirchen
– das Induktive und deine Definition von generous würde ich gerne noch besser kennenlernen.
Geniesst die Zeit. Ab Sonntag bin ich selbst in London.
Lieber Michi, Kaffee tönt immer super 🙂 gerne! Zum „induktiv“ schreibe ich gerade eine kleine Monografie, da hätten wir bei Kaffee viel zu diskutieren & deine Meinung würde mich interessieren. Beim Punkt Organisationsentwicklung: ein volles und ganzes JA 🙂 bin deiner Meinung. Nummerisch: ich beobachte auch eine Öffnung, die über numerisches Wachstum hinaus geht z.B. bei Willow. Allerdings verraten der Sprachgebrauch und wie theologische Begriffe wie discipleship doch viel. Ich habe eigentlich nicht gegen ein bisschen numerische Konkurrenz, das kann auch gut tun. Aber gegenüber standardisierten Veränderungsprozessen, bei welchen Nummer & Zahlen im Vordergrund stehen frage ich gerne kritisch zurück. St. Mellitus fand ich spannend – da würde ich gerne kritisch weiterfragen, was m.E. nicht negativ ist.