T.A.N.G.O.

Nach längerer Zeit war es auf einer Studienreise wieder einmal möglich T.A.N.G.O. zu besuchen. Wir wurden nicht nur mit Kaffee, Tee, Sandwiches und Scones empfangen, sondern mit viel Wärme und Liebe. Auch nach 17 Jahren setzen sich die Seniorinnen und Senioren (und ein paar jüngere Menschen) freiwillige mit Herz und Leidenschaft für Haydock ein. Im Folgenden nun ein paar Auszüge, was T.A.N.G.O. ist und macht. Noch detailiertete Infos sind in meiner Diss zu finden.

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Entstehung und Entwicklung

T.A.N.G.O. liegt in Haydock, einem Vorort von Liverpool, und wurde von Mitgliedern der Ortsgemeinde St. Markʼs Haydock gegründet. T.A.N.G.O. steht immer noch in enger Beziehung zu St. Markʼs und ist zwar finanziell unabhängig, aber durch die gemeinsamen Werte und das Coaching des Pfarrers ein Teil dieser Parochie. St. Marks Haydock bezeichnet sich als eine lake and river church, wobei das Bild des Sees und Flusses synonym zum Begriff der mixed economy gebraucht wird. St. Markʼs Haydock arbeitet schon mehr als zehn Jahre mit diesem Modell und ermutigt und fördert so fxC seit Ende der 1990er Jahren. St. Marks versteht sich als Kirche, welche aus Zellgemeinden aufgebaut ist:

«Together, Lake and River cells, parish based church and new forms of church, make up St Mark’s, the Lake and River church.»[1]

St. Markʼs lebt dadurch ein Miteinander von traditionellen und neuen Formen von Kirche, wobei der See für die inherited church steht und der Fluss für fxC. Gemäss der Erklärung von Pfarrer Mark Cockayne[2] besteht die Differenz von Zellgemeinden zu Hauskreisen gerade darin, dass eine Zelle ein dynamisches Gebilde ist, welchem eine Mission innewohnt. Das Ganze, sowohl der See-Anteil als auch der Fluss, wird durch fünf gemeinsame Werte,[3] welche regelmässig in der Gemeinde auf unterschiedlichen Ebenen thematisiert und kommuniziert werden, zusammengehalten. St. Markʼs als See und Fluss ist momentan kirchlicher Bezugspunkt für mehr als 1000 Menschen.

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T.A.N.G.O. ist eine von mehreren fxC, welche sich im Bild des Flusses von St. Markʼs verorten lassen. Entstanden ist sie im August 2000 durch die Initiative von Avril Chisnall, einem engagierten Mitglied von St. Markʼs. Avril schaute mit anderen Mitgliedern der Kirchgemeinde den Film Viva Christa Rey, in dem es um einen sozialen Brennpunkt in Brasilien ging. Für Avril Chisnall war dieser Film der Auslöser, sich den sozialen Brennpunkten seiner Umgebung zuzuwenden. Sie sammelte ein Team von zwölf Menschen um sich und begann mit diesen Menschen einen ekklesialen Prozess. Dieser Prozess bestand aus vier Elementen: Aus den Gebeten des Teams, der aktiven Auseinandersetzung mit der Sozialhilfe und den Betreibungsämtern, einer kleinen Untersuchung und Bedürfnisabklärung der Nöte vor Ort und aus der Auseinandersetzung mit Jesaja 58, 6‒12. Das kleine Team entschied sich, dass sie Menschen werden wollten, wie in Jesaja beschrieben:

«We will be known as the people who rebuild broken walls and restore houses in ruins.»[4]

Dem Team wurde der alte orange Gemeindesaal zur Verfügung gestellt, welcher sich hinter der Kirche befindet. Da das Team im sozialen Kontext von Haydock verwurzelt sein wollte, wählte es für ihr Projekt den Namen, den die einheimische Bevölkerung dem alten Gemeindesaal gegeben hatte, und das war tango shed, analog zum tango pub der Gegend. Das Team füllte jedoch TANGO mit einer neuen Wortbedeutung: Together As Neighbours Giving Out. Der Protest über die sozialen Schwierigkeiten schwingt in der Namensgebung mit, im Mittelpunkt stehen aber Hilfestellungen und die Abgabe von Geschenken.

T.A.N.G.O. hat vor allem diakonische Ziele. Es soll Hilfe zur Selbsthilfe ermöglicht, Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, damit prekär gewordenes Leben wieder aufgebaut werden kann. Zudem soll den Menschen der Gegend gezeigt werden, dass es Leute gibt, die sich für sie und ihre Nöte interessieren.

Aus dem zwölfköpfigen Team ist mittlerweile ein Betrieb entstanden, in dem vierzig Menschen freiwillig tätig sind und zehn Personen auf Teilzeit-Basis angestellt sind. Sowohl unter den Freiwilligen als auch unter den Angestellten befinden sich Personen mit psychischen oder physischen Beeinträchtigungen und Langzeitarbeitslose, denen auf diese Weise ein Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt ermöglicht wird. In den letzten 14 Jahren sind gemäss Angaben von Avril Chisnall Hunderte von Menschen im Team integriert gewesen, die von dort aus wieder einen Einstieg in die Gesellschaft finden konnten.

Leitbild

Wie bereits beschrieben, ist T.A.N.G.O. eng mit St. Markʼs verknüpft, so gelten die fünf Werte von St. Markʼs auch für diese fxC. Dennoch hat T.A.N.G.O. durchaus auch eine eigene Identität und eigene Ziele und Zwecke formuliert. Diese sind auf der Homepage folgendermassen zusammengefasst:

Our Aims:

  • Help me to help others to help themselves.
  • To provide resources for the rebuilding of individual and family life.
  • To show that other people do care and you are not alone, if nothing else that there’s an ear and shoulder available.

TANGO in itself is not the thing, God’s love is the thing. Over these last 10 years we have found that his shovel is a great deal bigger than ours. He gives to us (from all over the place, and we sometimes can’t fathom it out) so we can give away to others.[5]

Das Ziel von T.A.N.G.O. ist es, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, die es ermöglicht, sowohl für soziale als auch für seelische Nöte da zu sein und dem Menschen in seiner Ganzheitlichkeit zu begegnen.

 

 

Aktivitäten

Zu T.A.N.G.O. gehören ein Secondhandkleiderladen, ein Brockhaus, ein Café, Räume für Seelsorge, Gespräche und Finanzberatung sowie ein monatlicher Gottesdienst am Sonntag.

Aus der ganzen Gegend werden für das Brockhaus und den Laden qualitativ gute Kleider, Möbel, Kühlschränke, Geschirr, Pfannen und Alltagsgegenstände gespendet und gesammelt. Diese werden von den Freiwilligen sortiert, geputzt und repariert, um sie dann gegen einen kleinen Unkostenbeitrag oder auch gratis an bedürftige Menschen in schwierigen Situationen abzugeben. Im Café gibt es zu niedrigen Preisen Tee, Kaffee, Kuchen, Sandwichs, Suppen, Menüs und Getränke. Zudem finden regelmässig Aktivitäten wie Finanzberatungen, Bedürfnisabklärungen oder auch Weihnachtsfeiern statt, je nach Nachfrage. Viele ehemalige Besucherinnen und Besucher von T.A.N.G.O. sind mittlerweile als Freiwillige dabei.

T.A.N.G.O. beginnt jeden Tag mit einem 15-minütigen Teamtreffen, an dem alle Mitarbeitenden teilnehmen. Das Teamtreffen ist anhand von drei P aufgebaut: Purpose, Problem und Presence of God. Anhand dieser drei P wird der Tag strukturiert und am persönlichen Leben der Mitarbeitenden teilgenommen.

Eine Aktivität, welche nicht auf der Homepage aufgeführt ist, sind die zwei cells,[6] welche auch zu T.A.N.G.O. gehören und in die ein Teil des Teams integriert ist.

 

Theologische, missionale und ekklesiologische Aspekte

Die Grundlage von allen Zielen und Aktivitäten ist die Rede von Gottes Liebe. Diese wird durch die Gemeinschaft und Taten erlebbar gemacht und verkündet. Getragen wird die Gemeinschaft in allen schwierigen und riskanten Situationen, welche ihre Arbeit automatisch mit sich bringt, vom beständigen Gebet für die Arbeit und füreinander. Die Gemeinschaft in T.A.N.G.O. ist auch das Element, welches für Hilfesuchende anziehend wirkt, um sich darin ebenfalls zu engagieren. Die Selbstbeschreibung, welche immer wieder zu hören ist, ist folgende:

«God is the source of our motivation. We are ordinary people, doing extraordinary things, because of an extraordinary God.»[7]

Die Arbeit der fxC wird in höchstem Masse als kontextuell, missional und zugleich transformativ beschrieben. Gemacht, angeboten und gearbeitet wird in den Bereichen, welche den Nöten des Kontextes entsprechen.

 

Das Menschenbild in T.A.N.G.O. ist von einer Ganzheitlichkeit geprägt, in der soziale und seelische Nöte nicht voneinander getrennt betrachtet werden können. Die Freiwilligen in der fxC betonen immer wieder, dass ihre Aufgabe nicht das Urteil über die und die Verurteilung von den Hilfesuchenden ist, selbst wenn die Not selbstverschuldet ist. Vielmehr sehen sie ihre Aufgabe im Beziehungsaufbau, welcher auf der Liebe Gottes gründet und von Annahme geprägt ist. Zudem wird immer wieder betont, dass ihr Engagement nicht nur die Hilfesuchenden, sondern auch das Team selber transformiert:

«Lives get transformed when you work with poor, not only their life but ours aswell.»[8]

 

 

 

 

[1]        Lake & River Cells & Clusters | St Mark’s Haydock, http://www.stmarkshaydock.org/?page_id=7, gesehen am 4.8.2013.

[2]        Mark Cockayne war über 10 Jahre bis April 2014 der leitende Pfarrer von St. Markʼs.

[3]        Vgl. Vision & Values | St Mark’s Haydock, http://www.stmarkshaydock.org/?page_id=3, (Zugriff 10.4.2014) Die fünf Werte im Überblick, die auf der Homepage noch genauer ausgeführt werden: «All Involved, Becoming Disciples, Creating Community, Doing Evangelism, Encountering God».

[4]        About Us | T.A.N.G.O. Haydock, http://www.tangohaydock.org/?page_id=140, gesehen am 10.4.2014.

[5]        About Us | T.A.N.G.O. Haydock, http://www.tangohaydock.org/?page_id=140, gesehen am 10.4.2014.

[6]        St. Markʼs Haydock ist durch cells strukturiert, welche kleine ekklesiale stabile Einheiten darstellen, in welchen discipleship geschieht, Gemeinschaft gepflegt und Kirche erlebt wird.

[7]        Aus einem Gespräch mit Avril Chisnall im Juli 2013.

[8]        Aus einem Gespräch mit Avril Chisnall im Oktober 2013.

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