Philipp Kohli
Die Cafeteria “Coffee & Deeds” ist ein Angebot der reformierten Kirchgemeinde Zürich Hirzenbach. Am 4. Oktober 2019 haben wir als Seminargruppe von Theologiestudent*innen einen Nachmittag vor Ort verbracht und erhielten Einblick in das Betriebskonzept.

Im Zentrum der Cafeteria steht ein langer Tisch. Die Idee des Teams ist, dass dieser Tisch ein Ort sein soll, wo man sich dazusetzen kann. So sollen Kontakte erleichtert werden und das Gefühl entstehen, dass man am gemeinsamen Familientisch sitzt.
Als wir um 13.00 Uhr das Café betreten, ist der Tisch noch unbesetzt. Im Verlaufe des Nachmittags ändert sich das Bild und in den Pausen unseres Workshops sehe ich jeweils unterschiedliche Leute an diesem Tisch sitzen. Beim Verlassen des Cafés um 17.30 beobachte ich dann ungefähr zehn Personen am Tisch. Sie sind in angeregte Gespräche vertieft. Als ich an diesem Tisch vorbeigehe und immer noch einige leere Plätze sehe, habe ich tatsächlich das Gefühl, dass ich mich jetzt unkompliziert anschliessen und auch zu dieser Tischgemeinschaft hinzu stossen könnte. Hätten die Personen an kleinen Tischen gesessen, hätte ich dieses Gefühl des “am-Tisch-willkommen-seins” wohl nicht im gleichen Mass gehabt.
Dem Team von “Coffee & Deeds” ist es mit diesem Möbelstück gelungen, einem Bedürfnis von Menschen im städtischen Raum zu begegnen. Eigentlich ein Paradox: In der Stadt leben ganz viele Menschen dicht beieinander und trotzdem fällt es schwer, miteinander Kontakt aufzunehmen und Gemeinschaft zu pflegen. Dieses Gefühl von “Einsamkeit inmitten von vielen Menschen” stellt sich bei mir deutlich ein, wenn ich zum Beispiel alleine eine mir unbekannte Stadt besuche. Ich flaniere durch die Gassen, trinke einen Kaffee, bin mitten unter Leuten – bleibe aber doch für mich alleine. In der Anonymität der Stadt haben wir Menschen das Bedürfnis nach Dorfgemeinschaft, nach einem Ort, wo wir dazugehören und uns dazusetzen können. Der lange Tisch im “Coffee & Deeds” schafft erfolgreich einen solchen Ort.
Auch aus theologischer Sicht lässt sich etwas zu diesem Tisch sagen. Es finden sich im Neuen Testament etliche Szenen, in denen Jesus mit Menschen Gemeinschaft während einem Essen pflegt. Ein Beispiel dafür ist Markus 2.15: “Und viele Zöllner und Sünder sassen mit Jesus und seinen Jüngern bei Tisch.” Auch die Szene von der Passahfeier mit seinen Jüngern kurz vor seiner Gefangennahme bietet eine Fülle von theologischen Bezugspunkten zum Thema Tisch und Gemeinschaft.
Im Alten Testament findet sich die Szene, in der König David Mefiboschet, den Sohn seines Vorgängers, an seinen Tisch einlädt. Die Szene ist aus der Sicht der inklusiven Theologie bedeutsam, weil ein Mensch mit Behinderung einen Platz am Tisch des Königs zugesprochen erhält. Ob diese theologische Perspektive bewusst bei der Konzeption des Tisches durchdacht wurde, weiss ich nicht. Dafür sprechen der hindernisfreie Zugang zum Tisch und die rollstuhlgängige Toilette. Dagegen spricht die etwas erhöhte Tischhöhe, die es für Menschen im Rollstuhl wohl unmöglich macht auf Augenhöhe am Tisch zu sitzen. Hier sehe ich Entwicklungspotential fürs Team von “Coffee & Deeds”. Warum nicht Menschen mit Behinderung als Experten diesen Tisch prüfen lassen und so herausfinden, wie sie diese Tischhöhe beurteilen. Es wäre nämlich schade, wenn das Statement “an diesem Tisch sind alle willkommen” nicht auch auf sie zutreffen würde.