Benjamin Herrman
Samstagnachmittag; am Bahnhof in Zug herrscht reges Treiben. Hier hat eine Gruppe von Jugendlichen die Möglichkeit so viel Zucker und fettige Gerichte zu essen, wie sie wollen, ohne dass sie erkannt werden und ihnen elterliche Konsequenzen drohen. Zugleich ist ein altes Ehepaar überfordert mit den vielen Durchgängen und Menschen. Sie fühlen sich verloren in all den Optionen und wissen nicht, wen sie beim konzentrierten tippen auf Handy oder Laptop unterbrechen sollen.

Die Stadt kann mit ihrer unendlichen Auswahl, ihrer Vielfalt und Mehrdeutigkeit verunsichern oder uns mit der geschenkten Anonymität zum Experimentieren ermutigen. Was bedeutet das letztlich für unser Sein? Wer sind wir in der Stadt und wie unterscheidet wir uns von den anderen? Und wie kann hier die Kirche und der Glauben ins Spiel kommen?
Damit Menschen sich entwickeln können und wollen, brauchen sie eine offene und zum nachdenken anregende Umgebung, welche sie nicht nur nutzen, sondern auch mitgestalten können. Es muss möglich sein, ein Gefühl der Selbstwirksamkeit und Sinnhaftigkeit in der Stadt zu erleben. Die Anonymität gibt uns einen Spielraum, in welchem wir wenig zu verlieren haben. Doch wie ein Kind, dass sich beim Erkunden einer neuen Umgebung stets nach den Eltern umsieht, brauchen wir immer auch die Sicherheit der persönlichen Beziehungen und Begegnungen.
In einer unendlichen Auswahl an Möglichkeiten kann uns der christliche Glaube und eine zuverlässige Gemeinde eine essentielle Stütze sein.
Im Psalm 23, 1 – 6 können wir über diese Stütze lesen; darüber wie sich Gott uns zuerst als Hirte zeigt. Er leitet und begleitet uns auf unseren Wegen. Wir können stets auf seine führende Hand vertrauen und an seinen Zuspruch glauben. Ab Vers 5 zeigt Gott dann ein weiteres Gesicht; nun ist er unser grosszügiger Gastgeber. Er lädt uns zu sich ein, deckt uns den Tisch und umsorgt uns. Übertragen wir diese Gedanken in unsere Gemeinden, ruft uns dies dazu ein die Menschen zum Mitwirken einzuladen. Lassen wir sie ihre Ideen und Wünsche einbringen und zeigen ihnen, dass wir sie auf ihren Wegen unterstützen. So können sie in der Sicherheit einer Gemeinschaft ihre Persönlichkeit inmitten veränderlicher Zeiten entfalten und zugleich Leben und den Geist Gottes in unsere Mitte bringen. Und wie es am Ende des Psalmes heisst: «Güte und Gnade werden mir folgen alle meine Tage, und ich werde zurückkehren ins Haus der HERRN mein Leben lang.».
Mensch – sein in der Stadt heisst sein können, wer und wie wir möchten. Doch es bedeutet auch, in der Pflicht zu sein, die Möglichkeiten wahrzunehmen und nach unserem «Ich» zu streben. Unser Glaube kann als Ausgangspunkt für unsere Entwicklung dienen und in uns den Mut wachsen lassen, neue Entwicklungsräume für andere zur Verfügung zu stellen und immer wieder hoffnungsvoll weiter zu machen.