Urbane Theologie?

Philipp Kohli

Was ist mit Urbaner Theologie gemeint? Um diese Frage zu klären, machen wir ein Gedankenexperiment. Wir stellen uns eine Gruppe von unterschiedlichen Pfarrpersonen vor: Jemand kommt aus einer ganz armen Familie aus einem wenig entwickelten Land, eine andere Person sitzt im Rollstuhl, jemand hat Folter erlebt und die vierte Person war früher Spitzensportler. Jede Person würde die Aufgabe erhalten eine Predigt zum folgenden Bibelvers aus dem Markusevangelium vorzubereiten: “Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt!”

Ich bin mir sicher, dass die jeweiligen Lebensumstände diese Predigten ganz unterschiedlich prägen würden. Was eine Person erlebt hat, beeinflusst stark, wie sie den Bibeltext versteht und was für theologische Aspekte für sie im Vordergrund stehen. Der Lebenszusammenhang prägt die Theologie.

Entsprechend werden Menschen aus einem städtischen Umfeld Bibeltexte anders lesen und anders darauf reagieren als Menschen auf dem Land. Damit sind wir bei der Aufgabe der urbanen Theologie angekommen. Sie beschäftigt sich damit, wie das Leben in einer Stadt Menschen beeinflusst und was für theologische Themen davon berührt sind. Sie fragt danach, was der städtische Lebensstil mit Menschen macht und was aus theologischer Perspektive dazu zu sagen ist. Weiter bietet urbane Theologie Konzepte und Erklärungshilfen, um als Kirche die Menschen in der Stadt zu verstehen und ihnen entsprechend begegnen zu können.

Bild: Sabrina Müller

Wenn wir urbane Theologie betreiben, ist es darum wichtig, genau hinzuschauen. Mit Hilfe der empirischen Sozialforschung werden Beobachtungen gemacht: Was erleben Menschen? Wie verhalten sie sich? Was beeinflusst ihr Verhalten? Diese Beobachtungen werden theologisch reflektiert, das heisst, in einen Bezug zu Bibeltexten und der christlichen Tradition gebracht.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Menschen in der Stadt werden mit Interviews befragt und es zeigt sich, dass sich viele von ihnen trotz der hohen Bevölkerungsdichte in der Stadt, oft auch einsam fühlen. Dieses Gefühl, der Einsamkeit inmitten von vielen Menschen, führt dazu, dass sich Menschen in der Stadt nach Orten sehnen, wo sie dazugehören und ihnen ein Gefühl von Heimat geboten wird. Zu den Themen Einsamkeit, Zugehörigkeit und Heimat ist von theologischer Seite viel zu sagen. Es ist Aufgabe der urbanen Theologie, diese Themen so zu bearbeiten, dass Kirche und damit Christ*innen in der Stadt sprach- und handlungsfähig werden und den Bedürfnissen der Menschen in der Stadt gut begegnen.

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